Englisch sprechende Leute im Business-Outfit, rote Doppelstockbusse, Linksverkehr – yep, wir sind in Hongkong angekommen! Voll bepackt schleppen wir uns von der Bushaltestelle Wan Chai zu unserem Hostel im Norden von Hong Kong Island. Es ist abends und die Navigation unseres Smartphones führt uns durch eine hell erleuchtete Shopping-Meile zwischen riesigen Hochhäusern mit bunt blinkenden Leuchtreklamen. Irgendwo zwischen Calvin Klein und Burberry wird… unser Eingang angezeigt. Wo hier ein Hostel sein soll? Keine Ahnung, es hängt auch nirgends ein Namensschild aus. Wir treffen weitere Rucksackträger, die hilflos auf ihre Smartphones starren – dann müssen wir ja ganz nah dran sein. Im Flur weist uns ein offensichtlich gelangweilter Portier in die 3. Etage, ohne dabei von seiner Zeitung aufzuschauen, und wir steigen in einen viel zu engen Fahrstuhl. Als sich die Türen wieder öffnen, haben wir unser Hostel tatsächlich gefunden und wir stehen neben einer Gruppe junger Engländer und Australier. Das ist der reine Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass die einzigen Backpacker, auf die wir in China trafen, Chinesen selbst waren. Zufrieden und erschöpft nisten wir uns in unsere „Luxus-Nasszelle“ ohne Fenster ein.
Die Einreise nach Hongkong verlief einfacher, als wir ursprünglich dachten. Der Weg dahin: nicht ganz so. Da wir uns den teuren Flug von Huangshan aus sparen wollen, bleiben uns genau zwei Möglichkeiten: die Fahrt mit Bus oder Bahn. Die knapp 23 Stunden Fahrt wollen wir uns dann doch nicht an einem Stück antun und legen einen dreitägigen Zwischenstopp in Guangzhou ein, der letzten Großstadt vor der Grenze. Hier wohnen wir in einer Art WG, in der drei Generationen zusammenleben und drei ihrer Zimmer zur Verfügung stellen. Im Netz haben wir unsere Zugtickets herausgesucht und wollen diese direkt am Bahnhof besorgen – und haben erneut die sprachlichen Defizite auf beiden Seiten leicht unterschätzt. Vor riesigen Anzeigetafeln stehend, versuchen wir aus den chinesischen Zeichen schlau zu werden und die Zugnummer zu entdecken. Ohne Erfolg. An jedem Ticketschalter stehen zudem lange Schlangen, also versuchen wir es an den Schaltern in der oberen Etage. Keine gute Idee, denn jetzt stehen wir vor einer einzigen Baustelle, aus der es nur einen, sorgfältig abgesperrten und überwachten Ausweg über das gesamte Bahnhofsgelände gibt. Halb China scheint hier unterwegs zu sein und wir fragen einen leicht überforderten Offizier, ob wir eigentlich richtig wären. Ob er uns verstanden hat, werden wir wohl nie erfahren. Jedenfalls will er uns direkt wieder runter an die unteren Schalter schicken. Spätestens jetzt ist der Moment gekommen, um aufzugeben! Dann kaufen wir die Tickets trotz Gebühren eben online! Zurück im Hostel treffen wir auf die Hausherrin und sie zeigt uns (mit einem leicht spöttischen Grinsen) die Haltestelle, an der täglich Busse nach Hongkong fahren. Ups!
Nach ca. 2 Stunden Fahrt erreichen wir das Immigration Department und schon sehen wir sie: eine einzige Menschenkette, die sich erst mehrmals schlängelt, bevor sie sich vor den einzelnen Schaltern aufteilt. Nach einer Stunde hatten wir das überstanden – jetzt noch einmal dasselbe auf der Seite Hongkongs! Kurz vor dem letzten Check bemerken wir Plakate mit irgendwelchen Änderungen im Visum-System. Wir lesen sie ein paar Mal durch (wir haben ja Zeit), bis mich auf einmal eine kleine Panikattacke überkommt. Visa … Scheiße! Hatten wir für Hongkong vorher gar nicht beantragt. Muss man doch auch nicht … oder? Und warum haben dann alle Chinesen vor uns diese kleinen Visa-Zettelchen in der Hand? Liegen die hier irgendwo rum? Egal, jetzt ist es eh zu spät! Christoffer geht als erster zum Schalter. Der Beamte sieht ja eigentlich ganz nett aus. Ich drehe mich um und sehe diese nicht enden wollende Schlange. Auf keinen Fall stellen wir uns da wieder an! Der Beamte blättert mehrmals durch den Pass und sucht wohl das Visum. Dann endlich nimmt er das Einreiseformular, legt einen winzigen Visumzettel in den Pass und gibt das Okay. Das war es jetzt? Das war’s! Schnell verlassen wir den Schalter (nicht, dass er es sich noch anders überlegt) und werden draußen freundlich zu unserem Bus geleitet.
Die erste Frage, die man als Backpacker von einem Backpacker in Hongkong gestellt bekommt, ist: „Have you been to the peak?“ Der Victoria Peak (oder auch The Peak) ist die höchste Erhebung auf Hong Kong Island, von der aus man besonders abends einen tollen Blick über die Stadt haben soll. Also nehmen wir gleich am ersten Tag den Bus zur traditionellen Peak Tram, die direkt hochfährt. Eigentlich war es ja klar: die Schlange am Eingang ist so lang, dass sie sich einen Teil bergauf schlängelt. Trotzdem stellen wir uns an und erreichen die Bahn doch schneller, als befürchtet. Nach ca.10 Minuten Fahrt sind wir endlich auf der Sky Terrace. Vorher mussten wir jedoch einen wahren Shopping-Tempel durchlaufen und auch die Terrasse selbst wird zur Touristen-Massenabfertigung genutzt. Wir warten tapfer zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang (der Wind ist kalt und will man ins Gebäude, kommt man nicht mehr zurück auf die Terrasse) und es gelingen uns tolle Fotos von der hell erleuchteten Stadt.
Am nächsten Tag wollen wir auf eigene Faust einen der vielen bewaldeten Berge erklettern. Irgendwo an einer Hauptstraße in der Nähe unseres Hostels entdecken wir eine Treppe und auf geht’s! Nach einigen Metern stoßen wir auf Häuserreste und Gegenstände der ehemaligen Bewohner. Zwischendurch wird unsere Treppe von Ästen versperrt oder hört einfach auf, sodass wir zwischen Abfall und Ruinen die Treppe wiederfinden müssen. Ab und zu gehen wir an kleinen Altaren sowie Gegenständen vorbei, die erst kürzlich abgestellt worden sein müssen. Es ist ein seltsames Gefühl, hier zu sein. Als unsere Treppe wieder abrupt endet und wir einen neuen Weg einschlagen, hören wir es rascheln und scheppern und die Geräusche kommen näher. Um es uns mit dem Eigentümer dieses Grundstücks nicht zu verscherzen, kehren wir sofort um und nehmen einen anderen Weg hinauf. Auf eine Treppe stoßen wir nicht mehr. Jetzt erst fallen uns diese bunten Bänder an den Ästen auf, die in regelmäßigem Abstand auftauchen und folgen ihnen. Wir fühlen uns wie auf einer Schnitzeljagd. Irgendwann erreichen wir einen betonierten Weg, auf dem sich gerade ein Jogger dehnt, uns angrinst und dann weiterläuft. Wir sind oben angekommen! Uns fällt ein Felsbrocken ins Auge, der über die Bäume ragt und kämpfen uns durch einiges Gestrüpp, um ihn zu erreichen. Als wir hinaufsteigen, erwartet uns schließlich ein Wahnsinns-Blick über Hongkong und die umliegenden Inseln. Der abenteuerliche Aufstieg hat sich echt gelohnt! Kein Geld ausgegeben, ein 360°-Ausblick und ganz wichtig: wir sind allein…
Abends treffen wir auf eine kleine Gruppe, die uns bereits am Vortag aufgefallen ist. Wir kommen (über das Essen) schnell ins Gespräch und starten kurze Zeit später das erste Trinkspiel. Der Name: Waterfall – der Einsatz: Büchsenbier. Immer mehr Backpacker kommen dazu. Es herrscht eine super Stimmung und egal, woher man kommt: gemeinsam trinken und Spaß haben verbindet einfach. Nach mehreren Runden und vielen Gängen zum Supermarkt macht sich die Truppe (4 Deutsche, 3 Engländer, 1 Mexikaner, 1 Amerikaner, 1 Australier, 1 Ire und 1 Kanadierin) schließlich los, um noch die Happy-Hour einer Bar zu erwischen. Dann mal Cheers!