[15.Februar | 310km] …or the hardest part
Völlige Dunkelheit. Scheinwerferlicht nützt diesmal nicht viel. Es blendet nur, wenn es auf die dichten Nebelschwaden vor uns trifft. Orientieren kann ich mich nur an den Leitplanken und an Christoffers schwach leuchtendem Rücklicht, das im Nebel zu verschwinden droht, sobald ich mich mehr als 2 Meter von ihm entferne. Im letzten Moment erkenne ich die groben Umrisse einer Kuh an mir vorbeiziehen, die zum Glück dicht am Straßenrand entlang trottet. Meine Füße sind inzwischen eingeschlafen, ich kann sie kaum noch spüren. Ganz im Gegensatz zu meinen Händen. Seit Stunden halte ich den Lenker verkrampft fest und durch ständiges Bremsen und Schalten schmerzt jetzt jedes einzelne Gelenk in meinen Fingern. Dass wir uns kurz vor Da Nang noch einen steilen Berg hinaufkämpfen müssen, nachdem bereits die Sonne untergegangen ist, zerrt extrem an unserer körperlichen und geistigen Verfassung. Wir hatten uns auf eine längere aber gemütliche Fahrt entlang der Küste vorbereitet. Niemand konnte ahnen, dass unsere Navigation Google Maps zu einem Miststück mutieren und uns einen 20 Kilometer langen Umweg über einen Berg bereiten würde…
Am Abend vor unserer Abreise stehen wir wieder einmal leicht genervt vor unseren Rucksäcken. Wie aus einem Horrorfilm entsprungen liegen sie da, halb ausgeweidet, während der Großteil ihres Innenlebens im gesamten Zimmer verstreut liegt. Das übliche Backpacker-Chaos vor jeder Weiterreise; und die schier unlösbare Beseitigung dessen steht uns jetzt bevor. Einige Klamotten sind noch immer nass und von oben bis unten voller Schlamm. Stell dir vor: Es regnet noch immer. Ununterbrochen. Seit Tagen! Pech für uns, dass die einzige Straße zum angesagten Pub with cold Beer unbefestigt und nun völlig aufgeweicht ist. Trotzdem machten wir uns mit den Motorrädern los, endlich mal vom lästigen Gepäck befreit, und meisterten ein großes Schlammloch. Auch ein zweites schafften wir, jedoch etwas wackliger mit seitlich ausgestreckten Beinen, um das Gleichgewicht besser halten zu können. Endstation war dann aber am dritten und größten Loch, in dem unsere Reifen und Schuhe tief versanken und ich (vielleicht etwas hysterisch) um Abbruch der Expedition gebeten habe. Auf dem Rückweg kamen uns die Kinder aus dem Haus entgegen gerannt, an dem wir kurz zuvor eine Pause eingelegt und mit den Bewohnern über die Pros und Kontras unserer Weiterfahrt diskutiert hatten. Allesamt schauten sie uns lachend an. Sie hatten es schon vorher gewusst! Die kleinen Arschgeigen. 🙂
Am Morgen danach bereiteten wir uns auf das vor, wofür der Phong Nha-Ke Bang Nationalpark berühmt ist: das riesige und erst vor kurzem für Touristen zugänglich gemachte Höhlensystem. Direkt über unser Gasthaus Phong Nha Lake House hatten wir eine Tour zu den zwei bedeutendsten Höhlen gebucht (Die Tour zur weltgrößten Höhle Son Doong war schon seit einem Jahr ausverkauft und wäre für uns sowieso unbezahlbar gewesen). Eine von ihnen ist die nur per Boot erreichbare Phong Nha Cave, die zu den längsten Höhlensystemen der Welt zählt. Erst seit 2011 ist die Paradise Cave für den Touri geöffnet und liegt mitten im Dschungel. Mit Regenjacken gewappnet standen wir vor der Eingangstür unseres Gasthauses und blickten auf den nassen Parkplatz. Der Minibus nach Son Trach kam pünktlich eine Stunde zu spät und brachte uns mit ca. 10 weiteren Touristen zur Bootsanlegestelle. Dort wartete bereits unser Kapitän, der uns auf die Notwendigkeit der Schwimmwesten hinwies, nachdem wir uns auf die Plastikstühle seines viel zu engen Bootes gequetscht hatten. Als wir den Eingang erreichten, flog direkt über uns eine Schar Fledermäuse los und verschwand in der Höhle. Nach einer kleinen Verkaufspause (die Snackverkäufer erwarteten uns schon freudestrahlend) folgten wir ihnen ins Innere, das mit farbigen Lampen ausgeleuchtet wurde. Ca. 30 Minuten später war Endstation und wir kehrten zum Hafen zurück. Unsere Mitfahrgelegenheit zur zweiten Höhle war diesmal ein Bus und wir fuhren tiefer in den Dschungel hinein. Niemand wusste genau, wie lang wir zur Paradise Cave brauchen und ob wir noch mehr als eine kleine Wasserflasche als Verpflegung bekommen würden. Wir freuten uns riesig, als wir plötzlich an einer Raststelle Halt machten und uns ein traditionelles Mittagessen auf Bananenblättern serviert wurde. Etwas später erreichten wir den ersten Eingang und ärgerten uns etwas, dass wir uns den Bauch so vollgeschlagen hatten. 500 Stufen lagen jetzt zwischen uns und dem eigentlichen Eingang der Höhle. Erstaunlich gut kamen wir oben an und folgten unserer Truppe… gleich nach einem stärkenden Bier. Wie der riesige Hauptflügel einer Kathedrale wirkte die erste Vorhalle. Mit Ausnahme der bunten Strahler, die sogar ihre Farbe wechseln konnten. Und der Schwüle! Am Ende der Tour waren unsere Sachen komplett nass geschwitzt. Wir mussten unbedingt eine Wäscherei finden, bevor wir wieder packen und die bis dahin längste Motorrad-Etappe beginnen konnten.
Laut Google Maps sollten es vom Nationalpark nach Da Nang ungefähr 300km sein. Ich habe mir eine Straße ausgesucht, die direkt an der Küste entlang führt. Müsste machbar sein, wenn wir früh genug losfahren. Da es immer noch nieselte, zogen wir unsere Regencapes über und packten unsere Schuhe diesmal sofort in Plastiktüten ein. So ein Vorfall wie in der letzten Etappe kommt uns nicht noch einmal vor! Je weiter wir uns vom Gasthaus entfernten, desto besser wurde das Wetter. Nach einer halben Stunde Fahrt hat es dann endlich ganz aufgehört zu regnen. Mit steigernder Laune fuhren wir noch ca. 100km auf der Ho Chi Minh-Road, bis wir erneut die AH1 erreichten. Zum Glück brauchten wir diesmal nur 40km auf der selbstmörderischen Straße mit selbstmörderischen Busfahrern verbringen. Und es war immerhin noch taghell. Kurz vor der Küste machten wir an einem Straßenimbiss Mittagspause. Kurzer Routencheck: es war früher Nachmittag und die Hälfte der Strecke lag noch vor uns. Okay, nur noch Landstraßen entlang der Küste, bis wir Da Nang erreichen würden. Das schaffen wir! Wenig später stellte sich heraus, dass diese Landstraßen eher unbefestigten Wegen mit tiefen Schlaglöchern glichen. Auf diesem Abschnitt haben wir die meiste Zeit verloren. Zwischen den Dörfern mit spielenden Kindern und frei herumlaufenden Hühnern sahen wir immer wieder diese farbenfrohen Friedhöfe. An einem hielten wir kurz an und fotografierten die vielen Tempel-Türmchen, bis uns ein Einheimischer ansprach. Er lachte ständig und alberte mit Christoffer herum. Er war sichtlich stolz, dass er als Vietnamese einige Zentimeter größer war. Nach den Dörfern erreichten wir das, was man wirklich als Landstraße bezeichnen konnte. Nur noch 20km laut Straßenschild. Gut so, denn die Dämmerung setzte langsam ein. Es ging eine Weile bergauf, bis wir von weitem einen Tunnel erkennen konnten. Nur noch durch den Berg und wir wären da gewesen… Hätte uns nicht ein Polizist kurz vorher rausgewunken. Er gab uns zu verstehen, dass der Tunnel für Motorräder gesperrt wäre und wir deshalb die Umgehungsstraße nehmen müssten – direkt über den Berg! Ein neues Straßenschild gab uns den Rest: Da Nang 40km!
Jetzt stehen wir da. Auf diesen einen erleuchteten Parkplatz unterhalb des Berges und strecken unsere Glieder. Vor uns liegt die erleuchtete Stadt, die sich an einer Bucht entlangzieht. Nach einer letzten Fahrt auf der Strandpromenade erreichen wir erschöpft und total dreckig unser Hotel. Frisch geduscht und halb verhungert suchen wir uns ein nahe gelegenes Restaurant, wo wir über das einheimische Essen und Bier herfallen. Wenn wir satt sind, müssen wir unbedingt den Freunden schreiben. Sie werden uns auslachen, wenn wir ihnen sagen, dass wir für die 310km 11 Stunden gebraucht haben…
weiter viel Spaß!